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«Wir sind nicht 9 to 5»

Habegger | 19. August 2022

Das Lernendenprojekt «Next Generation 2021» wurde am diesjährigen XAVER mit dem Corona Special Award geehrt. Eine Auszeichnung mit Signalwirkung. Wir haben mit Jörg Gantenbein, Präsident des SVTB, und Andreas Zwahlen, Ausbildungsverantwortlicher bei Habegger, über die Folgen des Award-Gewinns und über die aktuelle Situation im Ausbildungsbereich gesprochen.

Am 18.8. hat das Lernendenprojekt «Next Generation 2021» einen XAVER-Award erhalten. 165 Lernende aus 52 Lehrbetrieben realisierten 9 virtuelle Showcases. Was bedeutet diese Auszeichnung für euch?

Jörg Gantenbein: Diese Auszeichnung ist in erster Linie eine Wertschätzung gegenüber den Lernenden und den Lehrbetrieben. Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet und den Award verdient. Besonders freut mich, dass ein Projekt geehrt wurde, das Lernende und Betriebe aus der gesamten Schweiz zusammengebracht hat.

 Andreas Zwahlen: Für mich ist es auch ein starkes Statement für den Beruf, die Lernenden, die Betriebe und den Verband. Der SVTB hat dieses Projekt initiiert, um den Lernenden während Covid weiterhin eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Schön, dass dieses Engagement anerkannt wurde.

XAVER-Award 22 Next Generation

Das Projekt «Next Generation» wurde an der XAVER-Preisverleihung mit dem Corona Special Award ausgezeichnet.

Was hat «Next Generation» für einen Impact auf die Branche?

Jörg Gantenbein: Das Projekt «Next Generation» hat gezeigt, wie wichtig qualifizierte Fachkräfte sind und welche wirtschaftlichen Vorteile sie bringen. Ausgebildetes Personal gestaltet die Abläufe und schliesslich das Projekt effizienter. Das konnten wir bei «Next Generation» hautnah erleben. Somit bin ich überzeugt, dass dieses Projekt eine Signalwirkung für Betriebe hat und ihnen bewusst wird, weshalb die Ausbildung von Lernenden nicht nur für die Branche, sondern für sie selbst wichtig ist.

 

Im Sommer 2021 ging die Anzahl Lernende, die eine Ausbildung als Veranstaltungsfachmann-/frau EFZ in Angriff nahmen, um die Hälfte zurück. Wie sieht die Situation aktuell aus?

Jörg Gantenbein: Die Situation sieht sehr gut aus. Wir haben dieses Jahr mehr Anmeldungen als jemals zuvor erhalten. In der Deutschschweiz liegen wir aktuell bei 47 Lernenden, das sind 10% mehr als in den Vorjahren. Auch der steigende Frauenanteil von 23% stimmt uns sehr positiv. Im Vergleich mit anderen technischen Ausbildungen ist dies ein guter Schnitt. Diese Entwicklung freut uns und bestätigt, dass sich unser Beruf für alle Geschlechter eignet.

 

Das qualitative Wachstum steht im Vordergrund .

 

Nichtsdestotrotz herrscht in der Branche ein grosser Fachkräftemangel. Wie viele Lernende müssten ausgebildete werden pro Jahr, um diesen zu mindern?

Jörg Gantenbein: Grundsätzlich können wir nie genug Talente haben. Doch das qualitative Wachstum steht im Vordergrund. Die Lehrbetriebe müssen organisch wachsen. Unser Ziel ist es, dass wir in fünf Jahren gesamthaft über die Ausbildungszeit von vier Jahren 300 bis 350 Lernende ausbilden können. Hierzu haben wir die Kampagne «GoBackstage.ch» lanciert.

 

Jörg, du erwähnst die Kampagne «goBackstage.ch». Wen möchtet ihr damit erreichen?

Jörg Gantenbein: Die Marketingkampagne richtet sich an 12- bis 13-jährige Schülerinnen und Schüler, die sogenannte Generation Alpha, die sich aktuell mit der Lehrstellensuche auseinandersetzen. Auf verschiedenen Kanälen, im Web und auf Social Media, erklären wir ihnen unseren Berufsstand. Dazu arbeiten wir auch mit verschiedenen Schweizer Künstlern zusammen.

 

 Tolle Events, bekannte Künstler – damit trifft man ins Herz der Jugendlichen…

Jörg Gantenbein: Sicherlich, aber genau deshalb ist unsere Informationskampagne essenziell. Wir sind keine Spassbranche. Und das möchten wir mit GoBackstage auch vermitteln. Unser Berufsstand bietet Perspektiven, man kann Karriere machen, Geld verdienen und auch ein eine tertiäre Weiterbildung ist möglich. Mit GoBackstage holen wir nicht nur die jungen Menschen ab, sondern auch deren Eltern. Wir zeigen ihnen auf, dass sich ein/e Veranstaltungsfachmann-/frau komplexes Wissen aneignen, Anlagen bedienen und alltägliche Herausforderungen bewältigen muss. Sprich: Es ist eine anspruchsvolle Lehre und nicht nur Fun.

Next Generation Trafo Baden

Die ehemalige Lernende und heutige Habegger-Technikerin Chantal am Next Generation-Event im Trafo Baden.

Mit dem Projekt «Next Generation» und «GoBackstage» hat der Verband das Lehrstellenmarketing lanciert. Hand aufs Herz. Macht der Verband genug?

Andreas Zwahlen: Dieses Jahr hat der 7. Lehrgang abgeschlossen. Der Berufsstand wie auch der Verband hat sich in den vergangenen Jahren bereits stark entwickelt. Man sieht Innovationen und Veränderungen. 2019 tauschte man sich beispielsweise auf internationaler Ebene mit den deutschen und österreichischen Verbänden aus. Das sind positive Entwicklungen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und auch künftig attraktiv zu bleiben, sollten wir die verschiedenen Berufsgattungen in unserer Branche aber noch stärker professionalisieren.

 

Gegenfrage: Machen die Betriebe genug?

Jörg Gantenbein: Man kann nie genug machen, aber ich bin sehr zufrieden. Die Betriebe haben unsere Kampagne gut aufgenommen und sind darauf aufgesprungen. Auch gehen sie an regionale Berufsmessen. Unser Job ist es, ihnen das Lehrstellenmarketing so einfach wie möglich zu machen. Deshalb stellen wir ihnen auch Downloads, Merchandising oder Informationen zur Verfügung. Nur gemeinsam erreichen wir unser hochgestecktes Ziel.

 

Wir haben den geilsten Beruf.

 

Heute liest man oft, dass die Jugendlichen vermehrt Berufe erlernen möchte, in denen Homeoffice- oder Teilzeitmöglichkeiten bestehen und Wochenendarbeit vermieden werden kann. Der Beruf Veranstaltungsfachmann/-frau entspricht dem genauen Gegenteil. Wie geht ihr mit den veränderten Ansprüchen um?

Andreas Zwahlen: Ich stelle fest, dass die jungen Menschen, die sich bei uns bewerben, sich ganz genau mit dem Beruf auseinandergesetzt haben. Die flexiblen Arbeitszeiten sind für die meisten sogar ein Bewerbungsgrund. Auch bin ich überzeugt, dass Teilzeitarbeit nach der Ausbildung möglich ist, aber man muss flexibel sein.

 Jörg Gantenbein: Wir sind definitiv nicht Homeoffice und wir sind definitiv nicht 9 to 5. Doch der Job gibt dir viel zurück: Emotionen, Herzblut und einzigartige Erlebnisse. Ich bin mir sicher, wir haben den geilsten Beruf. Und glücklicherweise holen wir genau jene Jugendliche ab, die das auch wirklich wollen. Das zeigt auch unsere jährliche Umfrage. 90% der Lehrabgänger bleiben anschliessend auf dem Beruf.

 

Apropos Flexibilität: In Deutschland müssen die Lernenden bei Lehrstart volljährig sein. In der Schweiz nicht. Wie sieht die Realität aus?

Andreas Zwahlen: Es gibt Betriebe, bei denen die Bewerber das 18. Lebensjahr vollendet haben müssen. Da es für sie teilweise wichtig ist, dass die Lernenden bereits Autofahren können und zeitlich flexibel einsetzbar sind. Wir sind darauf nicht angewiesen, da wir uns aufgrund der Grösse anders organisieren können. Deshalb achten wir bei Habegger darauf, dass wir vor allem Bewerber direkt ab der 9. Klasse berücksichtigen.

Jörg Gantenbein: Diese Tendenz stellen wir auch bei anderen Lehrbetrieben fest. 2011 waren nur 25% der Lernenden bei Lehrbeginn zwischen 16-18 Jahre alt. Heute sind wir bei über 75%. Das ist eine schöne Entwicklung.

 

Zum Schluss: Andreas, was würdest du einem Jugendlichen raten, wenn er sich für den Beruf Veranstaltungsfachmann/-frau EFZ interessiert?

Andreas Zwahlen: Er sollte einen Schnuppertag besuchen und sich auf verschiedenen Kanälen z.B. auf goBackstage.ch über den Beruf informieren. Und dann zieht es ihn hoffentlich genauso rein, wie es mich dazumal erwischt hat.

XAVER-Award Jörg Gantenbein, Andreas Zwahlen

Jörg Gantenbein und Andreas Zwahlen

Andreas Zwahlen ist seit sieben Jahren bei Habegger tätig. Er arbeitet als Crew Booker im Bereich Rigging und ist für die Ausbildung der Lernenden verantwortlich. Er begleitete das Projekt «Next Generation» in Baden.

Jörg Gantenbein ist Verbandspräsident des SVTB. Der Verband setzt sich mit dem Projekt «Next Generation» und «goBackstage» für die Förderung der Ausbildung Veranstaltungsfachmann/-frau ein. Daneben führt er die Firma eventpartner pro AG.

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